Fleischmädchen Maira
[ Im Westen nichts Neues ]
DERHANK


Kurze Erzählung
eBook
40 Seiten
ISBN-13 978-3-8476-1703-7
0,99 €

erhältlich im Online-Buchhandel


»Du guckst dem Kuhkopf ins Gesicht. Hast den an sein Hörnern gepackt, hochgehoben, heiliger Kuh, denkst du, Augen so traurig wie im Mond ...«

Kurzgeschichte von einer, die es in den Westen zog, des Fleisches wegen.




Leseprobe Fleischmädchen Maira


Maira
Du guckst dem Kuhkopf ins Gesicht. Hast den an sein Hörnern gepackt, hochgehoben, heiliger Kuh, denkst du, Augen so traurig wie im Mond - Quatsch, Mond, und schon gar nicht heilig, der Kopf, der auf den Kopfhaufen muss. Und die Augen sind milchig und leer. Aber da, wo wir her sind, da halten die Fließbänder an, wenn so ein Kuh vorbeikommt, ach was, du grinst, nicht die Fließbänder, die Menschen halten an für Kühe, da, wo wir herkommen - nicht du selbst, aber dein Ururur- und so weiter Großeltern, die sind aus Indien, und in Indien wird für ein Kuh angehalten und ein Diener gemacht. Doch hier, in dem Land, da sind wir im Gefängnis, sagt der Kuhkopf. Gefängnis?, fragst du zurück und guckst dich um, weil es nichts Bescheuerteres gibt, als im Hof mit ein Kuhkopf zu sprechen, statt den endlich in die Tonne zu werfen und den Dreck wegzumachen, weil der Herr Klöth heute kommt und der weiße Mann, du weißt schon, aber noch ist keiner da von den. Die anderen sind noch in der Halle, nur der Wachmann hinten am Zaun, weit weg, der glotzt, mit Uniform und Stock, mit dem der spielt, als wär's ein Gewehr, oder ein Pimmel, wieder musst du grinsen. Ob der Mann auch grinst, kannst du nicht erkennen.
Muh!, machen die Kühe, die man nicht sieht, auf der anderen Seite der Halle, die so riesig ist, dass man nicht weiß, wo die anfängt und nicht mal, welche Form die hat, rechteckig oder wie, nur dass hinten, wo man nicht sieht, die lebenden Kühe sind und hier vorne das, was übrig bleibt, Köpfe und so, Köpfe ohne Körper, und plötzlich ist Ilka da, die dicke Bulgarin, die fragt: Maira, was brauchste so lang für ein' blöden Kopf?
Du erschrickst, weil du die nicht gehört hast, zum Glück nur Ilka und kein Vorarbeiter, und dann kommen auch die anderen aus der Halle, weiß und blutig, aber das hat man irgendwann vergessen, das mit dem Blut, und dass man jeden Tag damit besudelt ist, und der Geruch, als hätte man ständig Nasenbluten. Alle tragen weiße Hauben, weiße Kittel und weiße Gummistiefel, und alles voll Blut und Fettschmiere. Der Anzug von dem Mann, der gleich kommt, jeden Donnerstag, der ist auch weiß, sogar sein Schuhe sind weiß, aber anders. Deswegen muss das hier sauber sein, ganz sauber. Du schleppst also Köpfe, wer anders fegt und noch wer spritzt aus und so weiter. Der weiße Mann hat komische Augen. Der spricht Bulgarisch, aber so, dass du das kaum verstehst, der spricht auch deutsch, aber nur mit Herr Klöth, und dein Deutsch ist noch schlechter als dein Bulgarisch, trotzdem hast du mal was mitgekriegt, wie der Herr Klöth zu den Fleischfleisch gesagt hat, oder Frischfrisch oder so, klingt ja alles gleich, und das deutsche Wort für Romni - nicht Zigeunerin, ein anderes Wort, aber er hat dich gemeint, Zigeunermädchen oder Frischmädchen oder Fleischmädchen, du musst lachen über das Wort: Maira, das Fleischmädchen ...

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