Zombielein
Kein Mensch mag diese Geschichte.
Kein Mensch.
DERHANK


Kurze Erzählung
eBook
37 Seiten
ISBN-13 978-3-8476-1670-2
0,99 €

erhältlich im Online-Buchhandel


»Der kleine Jonathan drückte seinen linken Augapfel zurück in die Höhle und konzentrierte sich wieder auf die Spielkonsole.«

Das ist nicht lustig, sagen die Freunde guter Literatur.
Das ist nicht lustig, sagen die Freunde von Horrorgeschichten.
Das ist nicht lustig!




Leseprobe Zombielein


Der kleine Jonathan drückte seinen linken Augapfel zurück in die Höhle und konzentrierte sich wieder auf die Spielkonsole.
Es war angenehm still im Wohnzimmer. Schläfrig knackte es in der Heizung und die Dreifachverglasung der Thermopenfenster schützte vor der grauen Herbstkälte. Bis auf gelegentliche Feuerwehrsirenen drang auch kein Lärm von der Bundesstraße in das kürzlich bezogene Reihenendhaus. Jonathans monotones Murmeln und Brabbeln war Teil dieser Stille. Und auch die leise gellenden Schreie aus den PC-Boxen ordneten sich dem Frieden des Samstagnachmittags unter.
Markus senkte den Blick wieder in die Tageszeitung. Der kurze Anfall seines Jungen war vorüber, und das soeben Gesehene fand keinen Widerhall in seinem Bewusstsein. Es plumpste durch sämtliche Fangnetze des Begreifens und löste in ihm nicht mehr als eine vage, kaum fassbare Ahnung von Unheil aus. Nur äußerst langsam tasteten sich ein paar schwerfällige Gedanken durch sein Gehirn, während er den Artikel über ein Massaker in Afghanistan las.
Mit fünf Jahren im besten Trotzalter, waren Ausbrüche rasender Wut nichts Ungewöhnliches bei Jonathan. Markus hatte Verständnis, wenn ihn bei WOW!, bei 'World On War!' der Jähzorn packte, besonders nach dem Verlust von zwei Leben binnen weniger Sekunden. Die Spielkonsole, vom Hersteller mit einem Kantenschutz aus verstärktem Gummi und einem Display aus stoßfestem Plexiglas ausgestattet, hatte das mehrmalige Schlagen auf die Tischplatte ohne Schaden überstanden. Jonathans Körper war dabei von einem heftigen Zittern durchgeschüttelt worden. Der Kinderstuhl hatte unter seinem Po gewackelt, die ausgestreckten Beinchen waren vor das Tischchen mit dem Plasmabildschirm geknallt und die Hände hatte er zu kleinen Fäusten verkrampft. Jonathans Kopf war so purpurrot angeschwollen, dass er zu zerplatzen drohte, und aus seinen gepressten Lippen war ein schrilles Fiepen gekommen. Dann war ihm der Mund förmlich übergekocht, sein Speichel hatte Blasen geworfen und sich den Weg nach draußen gebahnt. Doch erst ein ungewöhnliches »Plopp!« hatte Markus aufschauen lassen. Da war das Schlimmste aber schon vorbei gewesen. Eher beiläufig hatte der Kleine den an einem glitschigen Strang hängenden Ball in die Hand genommen und mit einem leicht schmatzenden Geräusch durch den Knochenring wieder in die Augenhöhle gedrückt.
An diesem Punkt in seiner bis dahin nur unterschwelligen Revision des Ereignisses angekommen, sah Markus seinen Sohn erneut - und diesmal bewusst an.
»Jonathan ...«
Der Junge quetschte sich in den Milchzahnlücken die Lippen blutig, und in seinem Gesicht flackerte eine für Markus nicht sichtbare Schlacht um die Vorherrschaft der Erde.
»Jooo - naaa - thaaan ...«, versuchte er es erneut. Ein kurzer Augenaufschlag und ein genervtes »Hggrrrrnnn ...« zeigten, dass er gehört wurde. Markus wusste, dass es besser war, den Kleinen nicht aus seinem Spiel zu reißen. Er betrachtete das linke Auge des Kindes und war sich nicht mehr sicher, ob das, was er glaubte, gesehen zu haben, wirklich passiert war. Jedenfalls konnte man deutlich eine umlaufende, dunkle Schwellung erkennen. Zudem schien die linke Pupille den konzentrierten Bewegungen ihrer rechten Nachbarin nicht mehr folgen zu können. Immer, wenn sie sich in einer ungewöhnlich schrägen Ausrichtung verhakt hatte, schob der Junge sie wie einen Scrollball mit dem Finger zurück in die normale Position. Auch tränte das Auge unentwegt. Ein glänzendes Rinnsal lief über Jonathans Pausbäckchen und vereinigte sich am linken Mundwinkel mit dem klebrigen Schnodder, der aus seinen Nasenlöchern suppte.

[...]